In diesem Filmprojekt untersuche ich die Reibungen zwischen Kunst und Arbeitsmarkt. Ich nistete mich mit einem Kameramann und Schauspielern in einer Werkstatt für geistig Behinderte ein und drehte dort einen Film.


Bei laufendem Betrieb der Werkstatt streiten sich die Protagonisten über ihre unterschiedlichen Auffassungen von Arbeit, Leben und Liebe. Als Worte nicht mehr reichen greifen ausgebildete Schauspieler zu den Waffen und legen einen choreografierten Showkampf hin. Ein Interview mit der Fürstin zu Löwenstein-Wertheim kommentiert die Handlung aus der anachronistischen Perspektive des Hochadels.

Interviews, die Erzählung des Films und dokumentarische Aufnahmen vom Schauplatz bilden einen Dialog über archaische und moderne Definitionen von Arbeit. Autobiographisch verkörpere ich die Handlung als Hauptdarsteller und gebe dem Diskurs damit eine sehr persönliche Perspektive.

 

So wie die Bäuerin nicht auf dem Feld arbeitet oder die Bürofachkraft an ihrem Schreibtisch, sowenig arbeite ich mit diesen geistig Behinderten oder an diesem Film


Nach einer langen Beschäftigung mit dem Medium Video handelt sich hier um mein erstes narratives Film-Projekt. Die klassische Struktur des Spielfilms nutze ich als ein Gerüst um meine experimentierfreudige Arbeitsweise in eine Form zu bringen. Während der Dreharbeiten achte ich aber immer darauf was sich „hinter der Kulisse“ abspielt, wie also Schauspieler und Statisten auf meine Interventionen reagieren.


Dieses Projekt dreht sich um Arbeit als gesellschaftlicher Konstruktion. Ein Praktikum in der Diakonie Thonberg in Leipzig, einer evangelischen Einrichtung für geistig behinderte Menschen im Anschluss an mein Diplom an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig im Sommer 2015 war der Ausgangspunkt. Das Ende des Studiums, das für viele Studenten den Beginn einer ernsthaften Beschäftigung mit Lohnarbeit und Arbeitsmarkt einleitet, diente auch mir als Anlass, mich mit meiner persönlichen und den gesellschaftlichen Definitionen von Arbeit auseinanderzusetzen.


Abseits dieser persönlichen Inbezugsetzung befindet sich der changierende Begriff von Arbeit nicht nur bei Kulturproduzenten in einem hochaktuellen Diskurs. Gesellschaftsübergreifende Relevanz bekommt dieser Diskurs, weil durch neue Strukturen der Lohnarbeit wie der Gleitzeit und neue Freizeitbeschäftigungen wie Facebook eine klare Unterscheidung von Konsum und Produktion problematisch wird.



Die Charaktere


Ich selbst mime in dem Film-Projekt den Gruppenleiter in einer Werkstatt für geistig behinderte Menschen. Er empfindet seine Arbeit als eine erfüllende Lebensaufgabe der er alles opfert. Sein Charakter wurde durch seine autoritäre, verantwortungsvolle Position geformt, deshalb kann er sich kein anderes Leben mehr vorstellen.

In meiner künstlerischen Arbeit habe ich es mir zur Methode gemacht, ganz egozentrisch aus mir selbst zu schöpfen und mich und meine Erfahrungen zum Thema zu machen. Das Bild das ich aus der Perspektive meines begrenzten
Bewusstseins von der Welt und der menschlichen Gesellschaft habe, ist klein und unzulänglich, aber es ist die einzige Perspektive die mir zur Verfügung steht.


Eigentlich verkörpere ich also in diesem Film mich selbst, den Künstler Felix Leffrank, an einem bestimmten Punkt meines Lebens. Diesen Zeitpunkt friere ich mittels der Kostümierung ein. Ich stülpe mir eine künstliche Glatze über meine inzwischen nachgewachsenen Haare und schlüpfe in ein Outfit, das ich für dieses Film-Projekt aus meiner üblichen Garderobe aussortiert habe. Mit dieser Kostümierung kann ich mich in die Position versetzen über mich selbst nachzudenken, indem ich eine alte Version meiner Selbst spielen und beobachten kann.

Mit dieser Kostümierung stelle ich außerdem eine ikonografische Version meiner Selbst her in die auch andere Menschen schlüpfen können. Ich bin immer derjenige, der gerade in meinem Kostüm steckt.


Schauspieler Benjamin Muth, ich und Markus Falk im Felix-Leffrank-Kostüm

Versuche einen Mensch zu imitieren, vielleicht wirst du irgendwann zu dem den du spielst

 

Der Schauspieler Markus Falk mimt meinen Gegenspieler. In der Sequenz in dem Film in der wir aufeinander treffen, unterhalten wir uns über die Arbeit. Dabei spricht er aus der Position eines gelangweilten Amazon-Leiharbeiters (sein damaliger Nebenjob) und ich aus der Position eines engagierten freischaffenden Künstlers. So lasse ich Markus Erfahrungen zeitgemäßer Formen von Lohnarbeit in den Film einfließen. Markus fehlendes Engagement für seine Arbeit wird im Lauf des Films Auslöser für einige Auseinandersetzungen sein.

Eine Mitarbeiterin der Werkstatt (Jacqueline) spielt einen depressiven Charakter. Damit verweise ich auf einen grundlegenden Unterschied zwischen geistiger Behinderung und psychischen Krankheiten. Das Gefühl zu wenig leisten zu können lässt ihr keine Ruhe, so dass sie sich in der Werkstatt versteckt um am Wochenende weiterarbeiten zu können, was ihr und mir zum Verhängnis wird.

Die Fürstin zu Löwenstein-Wertheim kommentiert die Handlung des Films mittels Interview-Einspielern. Mit ihr habe ich mich über eine monarchische Auffassung von Arbeit unterhalten.

In einer weiteren Sequenz trifft Markus auf eine Heilerin, die Performance-Künstlerin Carmen Loch, die ihn von seinen Schuldgefühlen befreit und ihn in eine spirituelle und sinnliche Welt führt - dem Gegenteil der spartanisch-disziplinierten Einstellung des Charakters den ich verkörpere.


Das Spielfilm-Format


Gemäß meiner Ausbildung als Medienkünstler ist es für mich wichtig, meine Mittel und Methoden bewusst einzusetzen. Wenn ich also an einem Projekt arbeite, das die Arbeit selbst zum Thema hat, dann will ich auch die Arbeit an diesem Projekt experimentell hinterfragen. So habe ich das Format Spielfilm gewählt, weil es, ähnlich der Arbeit eines Schriftstellers an einem Buch, eine langfristige und tiefgehende aber auch disziplinierte Beschäftigung mit einem Thema erfordert. Diese disziplinierte Arbeit korrespondiert mit dem Charakter der Hauptperson dieses Films.
Andererseits habe ich das Gefühl, dass ein gutes Kunstwerk davon lebt, dass KünstlerInnen Risiken eingehen, Experimente wagen und nicht alles mit dem „nötigen“ Ernst nehmen. So wird in diesem Film zum Beispiel eine Meinungsverschiedenheit zwischen der Hauptperson und seinem Gegenspieler nicht mittels Worten sondern eines Schwertkampfs ausgefochten, den ich mit zwei ausgebildeten Schauspielern in der Diakonie inszeniert habe.
Das Spielerische und der Dilettantismus auf dem die Produktion dieses Films beruhen, ist das Gegengewicht einer dialektischen Reflektion über künstlerische Arbeit.


Marion löst ein Kreuzworträtsel


Der aktuelle Diskurs zur Arbeit in diesem Projekt


Der Begriff Arbeit befindet sich derzeit in Wandlung. Finnland wagt die ersten Versuche mit bedingungslosem Grundeinkommen, Crowdfunding experimentiert mit der Umverteilung der Produktionsmittel, Facebook macht die Konsumenten zu aktiven Mitarbeitern der Plattform, Kulturkonsum im Internet kostet kein Geld mehr sondern eigenes kulturelles Engagement. Die selben die sich an dem einen Samstagabend von Castingshows im Fernsehen unterhalten lassen, sind vielleicht am nächsten Samstag schon selbst Teil dieser Show.

Wenn plötzlich Alle Inhalte und Bilder produzieren, was bleibt dem Künstler zu tun? Wird bald auch das Klischee-Bild des faulen Nichtsnutz Künstler romantisiert? Kann sich der Künstler dann zurücklehnen und es beim Konsum von Kunst belassen ohne selbst noch zu produzieren? Braucht es noch aktive Künstler damit der Begriff Kunst überlebt?

Es scheint, dass Joseph Beuys Versuch den Begriff Kapital vom Finanzwesen hin zum kreativen Kapital des Menschen zu verlagern (Kunst=Kapital) heute in der Gesellschaft angekommen ist. Arbeitssuchenden akademischen Künstlern wird nach dem Studium die Professionalisierung mittels PhD-Doktortitel angeboten um sie zum vollwertigen Teil der arbeitenden Gesellschaft zu machen und um ihr kreatives Potenzial abzuschöpfen.

Parodistisch stelle ich mich diesen Fragen im dem Projekt Dißtonts. Ich verlasse (zumindest für den Film) mein Künstler-Umfeld und teste andere Formen der Betätigung.